Die Kinder waren drei Wochen an der See und haben das Schwimmen und Segeln sehr genossen. Nach ihrer Heimkehr haben sie die großen, zerlemperten Scheunen eingerissen, die sich unser Vorgänger direkt vor das Haus gebaut hatte. Jetzt haben wir die Aussicht auf das Gebirge frei, und immer wieder muss man stehen und staunen, wie schön Gott der Herr die Welt gemacht hat. Es ist ja immer schön auf unserem Berg, aber der Oktober ist einer der herrlichsten Monate. Das ist eine wahre Symphonie von Farben. Die Sugarmaple (Zuckerahorn), ein Baum, den es in Europa nicht gibt, der unsere Berghänge hier bedeckt, kleidet sich im Herbst in solch leuchtendes Gold und ihre Schwester, die Soft Maple, in helles Kirschrot, dazwischen die zartgelben Birken und Buchen, Espen und Ulmen in allen Schattierungen von Gelb und Braun - es ist einfach unbeschreiblich. Ebenso wir ihr in Österreich haben wir schon seit Monaten keinen Regen gehabt und unsere Quelle im Wald ist versiegt, ebenso wie die Quellen auf den zwei großen Weiden. Ich bin aufrichtig dankbar, dass wir jetzt kein Vieh haben. Zirka 500 Fuß unterhalb des Hauses haben wir eine starke Quelle, die auch jetzt noch in einem dicken Strahl aus der Wiese heraussprudelt. Die haben wir jetzt ausgegraben und gefasst und pumpen sie mit einem elektrischen Motor ins Haus.
Es wäre so viel zu tun überall, aber man kriegt einfach keine Arbeitskräfte, nicht für Geld noch für gute Worte. Alles läuft in die Stadt, niemand will am Land bleiben. Die alten Farmer verkaufen einer nach dem anderen ihre Berghöfe, ganze Hochtäler sind schon ausgestorben. Wohin das führen soll, wenn das so weitergeht? Wir hoffen sehr, dass es in Österreich noch junge Burschen gibt, die gerne am Lande sind, und die wir zu uns herüberholen können, sobald die Einreise möglich sein wird.
Mitte November beginnt die nächste Konzertreise, die wir heuer meiner Krankheit wegen um vier Wochen verschoben haben. Damit beginnt wieder das Sammeln und Betteln für Österreich. Die Vorräte an Kleidern, das Ergebnis der letzten Konzertreise und der hunderttausend Bettelbriefe, die wir ausgeschickt hatten, haben gut über den Sommer ausgehalten. Mit der Hilfe unserer Camp-Gäste haben wir circa 30,000 Pfund Kleider und Lebensmittel nach Österreich geschickt. An den kommenden, furchtbaren Winter denkend, werden wir noch mehr wie voriges Jahr unsere Kräfte und unseren ganzen Einfluss einsetzen, um zu helfen. In einem anderen Brief werden wir eine genaue Schilderung unserer Hilfsorganisation geben. Wie das Senfkörnlein im Evangelium hat sie sich zu einem Baum ausgewachsen. Die Vöglein des Himmels, die sich in seinem Schatten ausruhen, sind ein paar tausend österreichische Familien.
Und jetzt müssen wir uns wieder verabschieden. Am Schluss wollen wir Euch versichern, dass wir täglich in unserer Kapelle, morgens und abends, unserer Freunde und deren Nöten und Anliegen gedenken. Vielleicht ist es doch ein kleiner Trost für Euch zu wissen, dass in der Neuen Welt immer ein warmes Herz und ein offenes Ohr bereit sind.
Viele liebe und herzliche Grüsse,
vom ganzen Haus Trapp
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Handschriftlicher Zusatz:
Liebe Marianne, (Marianne Hanslik Salzburger Kindermädchen der Familie Trapp von 1926 - 1934)
Die Mutter hat so schrecklich viel
zu schreiben, dass Sie mich gebeten hat, Ihnen für Ihren lieben
Brief zu danken. Können Sie sich noch an mich erinnern?
Dieser Erzählbrief schildert Ihnen unser Leben hier besser
als ich es könnte und Mutter schickt viele liebe Grüße mit.
Jetzt kommt Weihnachten bald so wünsche ich Ihnen
liebe Marianne von herzen viel Segen und auch fürs
Neue Jahr. Eine Überraschung ist unterwegs. Beten Sie
dass alles gut ankommt. Hat Rosmarie jemals von
einem Mädchen mit Namen ... Gardener... ein Paket bekommen?
Es hat sich einmal dieses Mädchen nach einem Konzert
eine Adresse gewünscht um etwas zu schicken, so gab
ich ihr Rosmaries Adresse.
Nochmals alles Liebe
Martina
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